Hoffnung

Hoffnung - ein großes Wort, ein starkes Wort.

Ist es eine positive Erwartung? Eine Sache oder Person, in die ein Mensch sein Vertrauen setzt?

Es ist ein Wort, das jeder kennt, doch was bedeutet es?

 

Unsere Organisation, in der wir ein Jahr mitarbeiten durften, hat den klangvollen Namen:

"Lebendige Hoffnung".

Diese hat sich zum Ziel gesetzt, sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zu fördern und ihnen

Angebote anzubieten, sich zu entfalten und weiterzuentwickeln.

Sozial benachteiligt bedeutet, dass die familären Hintergründe schwierig sind.

Viele der Eltern sind alkoholabhängig, drogenabhängig, oder psychisch krank, arbeitslos, oder finanziell eingeschränkt.

Von vielen Kindern ist ein Elternteil bereits verstorben oder beide Elternteile.

Zuhause erleben viele Kinder keine Liebe, Zuwendung und Erziehung, aber Gewalt oder Vernachlässigung.

Sie sind benachteiligt, denn sie können nichts dafür, sie sind reingeboren in eine schwere Familiensituation.

Die Kinder und Jugendlichen leiden darunter, durchleben viele Probleme.

 

Es ist ein Teufelskreis, aus meiner Sicht.

Oftmals ahmen die Kinder oder Jugendliche ihre Eltern nach.

Sie sind umgeben von einem negativen Umfeld.

Plattenbauten, Arbeitslosigkeit, Alkohol-,und Drogenmissbrauch.

 

Wo ist die Perspektive?

In einem Land, dass sich im Kriegszustand befindet.

Der Staat hilft sozialbenachteiligten Bürgern kaum.

Viele leben in Armut und Hoffnungslosigkeit.

 

Nach einem Jahr in der Ukraine, kann ich die pessimistische Grundeinstellung vieler Bürger spüren und sogar verstehen.

Korruption, das Gesetz des Stärkeren (=Reicheren) ist hier an der Tagesordnung.

Täglich begegnet man alten Menschen, die in Mülltonnen wühlen oder am Straßenrand sitzen und irgendwelche Dinge verkaufen.

Ich meine, so richtig alte Menschen, die kaum laufen können. Man begegnet ihnen auch früh im Zug, wenn sie nach einer Nachtschicht aus der Fabrik kommen und auf den Zugsitzen einschlafen. Betrunkene Musikanten spielen ein Lied, während man Handys, Tischdecken und Mikrowellen u.v.m. im Zug kaufen kann. Wenn ich diese alten Menschen sehe, tut es mir im Herzen weh.

Erst heute morgen hat ein "Großmütterchen" im Zug, erst sehr lange Geld in ihrem Geldbeutel gesucht, danach die

Zugangestellte mit einem flehenden Blick angeschaut und fast geweint. Oftmals stellen sich Menschen auch nur schlafend im Zug, damit sie nicht abkassiert werden. Sowas geht nicht spurlos an mir vorbei. Und ich sehe es jeden Tag.

 

Nach meinem Empfinden sind 50% (oder mehr) der Männer über 40 Jahre alkoholisiert.

Natürlich trifft das alles nur für meinen Stadtteil zu. Im Stadtzentrum Odessas wird versucht für die Touristen alles so schön wie möglich herzurichten.

Und natürlich sind es nur meine persönlichen Wahrnehmungen, aber es ist mein Alltag hier. Wenn man abends in einen Bus einsteigt, dicht an dicht gedrängt mit betrunkenen Männern. Den Alkoholpegel, der Gestank, die gläsernen Blicke...

 

Ja, das ist nicht das, was man hören möchte.

Aber ich möchte es nicht beschönigen.

 

Und was ist mit dem Gesundheitssystem oder Bildungssystem hier in der Ukraine??

Es gibt schon Leistungen vom Staat, aber sehr geringe.

Die Bevölkerung auf dem Land ist besonders schlimm dran. Die Verbindungen zur nächsten Stadt sind meist schlecht ausgebaut (man braucht sehr lange, aufgrund von schlechten Straßen...) und die ländlichen Kliniken sind meist nicht so gut ausgestattet.

 

Viele meiner Bekannten hier helfen sich mit Hausmitteln oder gehen direkt in die Apotheke.

Zum Arzt geht man nur bei extrem akkuten Dingen, aber auch nur wenn man das Geld hat.

Kein Geld, kein Hilfe.

 

Wir kennen eine Familie, die aufgrund der Erkrankung des Vaters an Krebs unter finanziellen Problemen leidet.

Die Mutter stand vor der Entscheidung, dass sie für die Familie Lebensmittel kauft oder Krebsmedikamente für ihren Mann.

Das erzählte uns die Mutter unter Tränen.

Deswegen hatten sie zu wenig zu essen, Bekannte und Familie von ihr halfen ihr aus. Auch unsere Organisation hilft mit Spenden. Und wir haben diese Familie auch öfter besucht, Gespräche gehabt. Mut zugesprochen und gemeinsam gebetet.

 

Für Operationen fehlt den Familien oft das Geld. Deswegen werden Dinge eben so hingenommen.

Auch Zahnspangen oder Brillen sieht man so gut wie gar nicht.

Jedenfalls im Vergleich zu Deutschland.

 

Gekocht wird meist fleischarm. Suppen, Brei, billigeres Gemüse...warum?

Es ist auch eine Kostenfrage. Fleisch ist nicht günstig hier.

Wir haben von Schulen gehört, die im Winter nicht heizen.

Oder fast einen Monat lang waren alle Schulen in Odessa geschlossen wegen einer Epedemie.

Meiner Meinung nach ist die Schulbildung an staatlichen Schulen schon niedriger als in Deutschland.

 

Nachts gibt es Sicherheitspatrouillen mit Gewehren, die durch unser Stadtviertel laufen.

Armeefahrzeuge, Soldaten, Matrosen sieht man überall.

Und auch Straßenhunde.

Ja, ja...richtige Rudel. Und an jeder Ecke liegt Müll und es stinkt.

 

Was macht das mit einem Menschen, der in so einem Umfeld aufwächst?

Was macht es mit mir, ein Jahr in so einem Umfeld zu sein?

Ja, auf diesen Bildern habe ich die schlechten Ecken fotografiert. Normalerweise zeige ich nur die schönen Fotos.

Aber warum schreibe ich überhaupt darüber? Ich meine, wie kommt man überhaupt dazu in ein Land, wie die Ukraine zu gehen,

wenn man aus Deutschland kommt und die Wahl hat?

Das werde ich hier ständig gefragt.

Auch ab und zu wird der Wunsch geäußert, dass ich ja hier bleiben kann und der Ukrainer an meiner Stelle nach Deutschland geht.

Alle denken eigentlich immer, dass ich Tourist bin.

 

 

Ich kann für mich persönlich sagen, es war einfach Gott.

Mein christlicher Glaube hat mich motiviert. Sich nicht nur ein Jahr Auszeit zu gönnen und

schöne Orte zu sehen, sondern Menschen zu helfen und etwas zu geben.

Besonders nach dem Jahr ist mir bewusst geworden, was ich eigentlich alles habe.

Ich bin so wahnsinnig beschenkt.

Ich habe eine Familie, die mich liebt. Ich habe einen guten Freundeskreis. Ich bin in einer sicheren, ruhigen Gegend in Deutschland aufgewachsen. Mit dem Deutschen Pass kann ich in fast alle Länder reisen. Ich bekomme soziale Leistungen vom Staat. Ich bin gesundheitsversichert. In meinem Elternhaus in Deutschland hatten wir immer Wasser, Strom und Heizung. Wir hatten genug zu Essen.

Ich könnte diese Liste noch weiter und weiter und weiter fortführen.

Ich bin so dankbar geworden. Für eben NICHT SELBSTVERSTÄNDLICHE DINGE!

 

Und aus meinem behüteten, guten Leben habe ich mich aufgemacht in ein anderes Land. In ein anderes Leben.

Und ich habe viele, viele Dinge verstanden.

Wenn ich mir die Problemen von vielen Deutschen anhöre, frage ich mich oft, was wohl Ukrainer darüber denken würden.

Ich glaube gerade für Menschen, die aus einem so priveligierten Umfeld kommen, ist es gut einmal einen anderen Lebensstadard zu sehen, um zu verstehen, was man hat.

 

 

Und eine andere deutsche Frau ist vor über 20 Jahre aus Deutschland in die Ukraine gekommen, wo die Lebensumstände in der Ukraine noch schlimmer waren. Sie hat sich nicht mit einem Auslandsjahr zufrieden gegeben, sondern ist dem gefolgt, was Gott in ihr Herz gelegt hat: den benachteiligten ukrainischen Kindern und Jugendlichen eine Perspektive und Hoffnung zu zeigen und sich in diese Kinder zu investieren.

 

Und jetzt nach vielen Jahren sind 3 Tageszentren in einer benachteiligten Gegend entstanden. Kinder und Jugendliche werden in eine liebevolle Atmosphäre eingeladen. Sie können nach der Schule (ab 12 Uhr) in ein Haus kommen, wo Menschen auf sie warten, wo Menschen sind, denen die Kinder am Herzen liegen.  Dort gibt es ein warmes Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung, Spiel,-Bastelangebote, Tanzworkshops, Bibelunterricht, Austausch über Anliegen und Probleme, gemeinsames Gebet, Kleidungsspenden, Musikunterricht u.v.m.

 

Ein Ort, wo Kinder lernen ein gesundes Essen zuzubereiten und lernen hauswirtschaftliche Aufgaben zu übernehmen.

Sie bekommen Hilfe ihre Schulleistungen zu verbessern.

Es gibt viele Freiwillige, die ihnen auch beim Sprachenlernen helfen und dadurch findet ein interkultureller Austausch statt.

Einfach ein Ort, an dem Kinder Freundschaften schließen können und Unterstützung erhalten.

Aber auch ein Ort, an dem Werte vermittelt werden und der christliche Glaube gelebt wird.

Diese Kinder sind unendlich kostbar und wertvoll.

Sie wurden geschaffen und mit vielen Talenten ausgestattet. Das möchten wir den Kindern auch mitgeben...

...Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl, sich selbst und andere Menschen annehmen wie man ist.

 

Jetzt nocheinmal zurück zu dem Wort Hoffnung.

Für mich ist es nicht nur ein Wort.

Lebendige Hoffnung. Die Hoffnung der Welt ist Jesus.

Ist die Liebe. Und ich glaube Liebe ist der Schlüssel.

Der Schlüssel...Kindern aus benachteiligten Umständen wirklich zu helfen.

Eine Umarmung, freundliches Lächeln , Unterstützung bei Problemen...das bedeutet meist viel mehr als tausend Worte.

Und ich merke immer wieder wie sehr die Kinder sich darüber freuen. Viele der Kinder haben sich erstaunlich entwickelt und sind später zu Mitarbeitern in den Tageszentren geworden. Familiensituationen haben sich geändert durch das Gebet der Kinder.

Auch nach dem diesjährigen Familiencamp von Lebendige Hoffnung, hat sich einiges in den Familien getan.

Die Kinder blühen auf im Zentrum, entdecken neue Talente und fühlen sich wohl.

Ich habe schon bei einigen Kindern gemerkt, wie sie sich verändert haben und ich bin nur ein Jahr hier.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, wo diese Kinder jetzt wären, ohne die Tageszentren von Lebendige Hoffnung.

Über das Jahr habe ich Freundschaften zu den Kindern und Teenies aufgebaut. Sie sind mir ans Herz gewachsen.

Was geht über ein Kinderlachen? Über das Leuchten in ihren Augen?

 

 

Und Hoffnung, die Hoffnung, dass Gott jedem Menschen sein Leben geschenkt hat und dass es einen Grund gibt, dass man hier auf dieser Erde ist. Es gibt Hoffnung auf ein besseres Leben. Es gibt eine Perspektive. Es gibt Hoffnung für diese Kinder.