Kiew - wir kommen!

Im Rahmen unseres Zwischenseminares mussten wir nach Kiew reisen. Das kam Lea und mir aber ganz gelegen, da wir bisher noch nicht viel von der Ukraine gesehen hatten und neugierig auf die Hauptstadt waren!

 

Am günstigsten kommt man mit dem Nachtzug von Odessa nach Kiew. Direktverbindung. 13 Stunden Fahrt. 4 deutsche Freiwillige. 1 eigenes Zugabteil. Es war mal eine neue Erfahrung in einem ukrainischem Zug zu schlafen.

Hier ein kleiner Einblick...

Endlich angekommen in Kiew, erwartete uns eine kalte, verschneite Stadt, mit ihrem ganz eigenem Charme.

Ich finde Kiew um einiges moderner und "europaeischer" als Odessa.

Z.B. gab es englische Straßenbezeichnungen, englische Straßenbahndurchsagen und englische Bedienungen im Restaurant.

Auch ansonsten ist Kiew größer und hat moderne Gebäude, sowie historische Bauten.

Und obwohl es zwischendurch -20°C waren, ist mir das Klima dort angenehmer vorgekommen als in Odessa.

Denn es war eine "trockene" Kälte, also geringere Luftfeuchtigkeit und weniger Wind.

 

Ich bin quasi mit Erkältung nach Kiew gefahren und in Kiew gesund geworden, trotz wenig Schlaf und eisiger Temperaturen.

Generell lässt sich aber zu meiner Gesundheit sagen, dass ich fast den kompletten Winter hindurch mit verschiedenen Erkältungen und Grippen zu kämpfen hatte. Fremdes Klima. Fremde Bakterien. Ein Immunsystem braucht auch eine Weile, um sich umzustellen.

Und auch das ukrainische Essen bekommt mir nicht immer so gut, obwohl es sehr lecker ist.

 

 

Okay, genug zu meiner Gesundheit. Auf dem Seminar erwarteten uns andere deutsche Freiwillige, die ebenfalls ein Auslandsjahr in Osteuropa ( Ukraine, Moldawien, Armenien, Weißrussland, Kyrgyzstan...)machen. Wir hatten interessante Einheiten, z.B. zum Thema Problembewältiging, Kulturschock ...etc.

Besonders bereichernd fande ich den Austausch mit den anderen Freiwilligen, denn so konnte man erfahren, wie es anderen jungen Deutschen in der gleichen Situation wie mir geht.

Lea und ich hielten einen Vortrag zum Thema: " Geschlechterrollen in der Ukraine".

Und ja darüber hatten wir viel zu erzählen. Denn diese kulturellen Unterschiede im Umgang mit dem anderen Geschlecht begegnen uns im Alltag täglich.

 

 

Was ein wirklicher „kultureller Schock“ für mich war, ist der Modegeschmack von manchen ukrainischen Frauen. Ob nun Pelzmäntel, Goldenschimmernde Jacken, Glitzschuhe mit Schleifen oder knallpinke Kleider, das alles war erstmal sehr ungewohnt.

 In Deutschland habe ich so einen „extrem weiblichen“ Kleidungsstil seltener gesehen.

 Ich denke, dass viele Ukrainerinnen, sehr auf ihr Äußeres achten.

 Generell passiert es mir hier in der Ukraine sehr häufig, dass andere Menschen ungefragt mein Äußeres kommentieren. Ein Freund sagte mir kürzlich: „ Geschminkt siehst du echt besser aus. Du solltest dich täglich schminken.“ Ich wusste erstmal gar nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich habe noch nie erlebt, dass deutsche Freunde von mir so etwas sagen. Ebenfalls eine Wimpernverlängerung und ein Augenbrauentattoo wurden mir von Freunden hier empfohlen. Natürlichkeit ist hier nicht wertgeschätzt.

 Schon oft habe ich das Vorurteil von Ukrainern gehört, dass alle deutsche Frauen hässlich seien. So etwas kann ich wirklich nicht nachvollziehen.

 

 Oft habe ich das Gefühl, dass Frauen hier öfter auf ihr Äußeres reduziert werden.

 Viele Gespräche mit Freunden drehen sich nur um Kleidung, Sport oder Schuhe.

 Und auch Geschlechterrollen sind von stärkerer Bedeutung, finde ich.

 Mich hat ein ukrainischer Freund gefragt: „Kannst du eigentlich Kochen?“

 Ich sagte: „Ja.“ Er erwiderte: „Sehr gut, dann wirst du mal eine gute Ehefrau.“

 

Allgemein drehen sich die Gedanken meiner Freundinnen hier oft um das Thema Hochzeit und einen guten Ehemann finden. Mit 25 Jahren söllte man spätestens verheiratet sein, meinte kürzlich eine Kollegin von mir. Auf mich wirkt das etwas befremdlich. Eine Frau ist doch mehr als nur eine Ehefrau oder ein schöner Körper. Diese Reduzierung von Frauen finde ich negativ.

 

 

 

Dennoch haben die, sag ich mal, ausgeprägteren Geschlechterrollen auch positive Seiten.

Ich meine, die Männer verhalten sich öfter wie "Gentlemen". Sie halten Türen offen, tragen schwere Taschen, heben schwere Stühle hoch, bieten Frauen ihren Sitzplatz an und  machen viele Komplimente.

Okay, so viel zu unserem Vortrag zu Geschlechterrollen in der Ukraine. Das ist ja alles auch sehr subjektiv und kann man auf keinen Fall verallgemeinern. Ich habe halt solche Erfahrungen gemacht und als junge deutsche Frau, sehe ich manche Dinge eben kritischer.

Andere Themen von Mitfreiwilligen waren, z.B der Völkermord an den Armeniern, lettische Tänze oder Sprache in der Ukraine.

 

Nun zurück zu Kiew!

Wir hatten natürlich nicht nur einen starken Austausch und Seminareinheiten.

Nein, uns war auch die Möglichkeit gegeben Kiew zu erkunden.

Hier ein paar Eindrücke...

 

 

 

Und vorallem ist Kiew eine bewegte Stadt.

Was ich damit meine?

Ich weiß nicht, wie sehr ihr euch mit der Geschichte der Ukraine auskennt.

Aber 2014 kam zu den Maidan Protesten in Kiew. Sehr viele Menschen versammelten sich dort, um für eine "Pro Europa" Politik aufzustehen und den prorussischen damaligen Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen.

Außerdem wollten sie das Ende der Korruption, sie wollten eine Annäherung an Europa.

Die friedlichen Proteste bezahlten einige Menschen mit dem Leben, viele wurden verletzt. Dass eine Regierung, hier in Europa, auf unbewaffnete, friedlich demonstrierende Bürger mit scharfen Waffen schießt. Unfassbar. Wir waren gerade in der Zeit in Kiew, wo an die Opfer auf dem Maidan Platz gedacht wurde. Sie bekamen ein Plakat, ihr Gesicht und ihr Name, dass man sich ihrer erinnert.

Viele Angehörige legten auch Kerzen und Ukraine Flaggen nieder. Hauptsächlich waren die "Erinnerungsplakate" mit jungen Gesichtern bedruckt. Viele Studenten.

 

 

 

Trotz dass die Proteste auf dem Maidan in gewisserweise "erfolgreich" waren, denn der damalige Präsidenten legte sein Amt nieder und fand Asyl in Russland, kommt die Ukraine nicht zur Ruhe.

Über die neue Regierung wird genauso geschimpft, wie über die alte, obwohl der neue Kurs der Ukraine extrem proeuropaeisch ist.

Denn die meisten Leuten verdienen trotzdem immer weniger, die Währung verliert immer mehr an Wert und der Lebensstandard ist nicht hoch. Und dann auch noch die kriegerischen Auseinandersetzungen mit prorussischen Seperatisten.

Viele Menschen sind unzufrieden, die Demonstrationen gehen weiter.

 

 

Die Zeit in Kiew war für mich eine sehr bewegende und nachdenkliche Zeit.

Wir waren außerdem im Tschernobyl Museum (und einige unsere Mitfreiwilligen waren live in Tschernobyl) und im Kriegsmuseum, wo man orginial Kriegsmaschinerie etc. sehen konnte.

Und andererseits tat es auch gut, mal wieder unter Deutschen zu sein.

Ich hätte es früher nicht gedacht, aber wir Deutschen haben schon ein paar kulturelle Eigenarten, die ich sehr schätze.

Und einfach mal zu reden, ohne nachzudenken ( wie das auf Russisch heißt).

Den gleichen Humor teilen. Tiefgründige Gespräche auf Anhieb.

Es tat echt mal wieder gut.

 

 

 

Und dann hieß es auch schon wieder Abschied nehmen. Wir sind noch spontan 2 Tage länger in Kiew geblieben.

In Kiew gibt es auch eine Hillsong Church, die wir besuchten. Es war wirklich cool!

Die Rückreise stand bevor, die sich als überraschend aufregend gestaltete.

Denn in unserem Zugabteil war die Heizung kaputt. Bei -20°C Außentemperatur.

Und nicht 100% verdichteten Fenstern. Nachts wachte ich auf, weil mir so kalt war.

So erging es uns 13 Stuuuuuunden. Endlich angekommen in Odessa, bestellten wir uns 4 Uhr morgens ein Taxi.

Das zuvor gesprochene Gebet, dass Gott uns beschützen solle, machte sich bewährt.

Denn vor dem Ausgang vom Bahnhof standen 4 Taxen. Und gerade das am heruntergekommenste war unsereres.

Es qualmte, der Taxifahrer versuchte verzweifelt es zu starten, während er uns hereinwinkte.

 

Beten. Beten. Beten.

Der Taxifahrer spricht wirr. Er hat eine Alkoholfahne. Die Tankanzeige ist rot. Das Auto qualmt beständig.

Er beschleunigt stark, um rote Ampeln zu vermeiden. Als er einmal anhält, drückt er beständig Gas und Kupplung.

Wir nehmen es mit Humor. Schließlich leben wir schon über ein halbes Jahr in der Ukraine.

Wir kommen an. Aussteigen. Überlebt. Der Taxifahrer kommt nicht mehr los. Das Auto startet nicht. Wir gehen.

Wir sind einfach dankbar wieder heil in Odessa angekommen zu sein.

Nach 14 Stunden frieren endlich Wärme.

 

Genau, am nächsten Tag fiehl dann leider die Heizung und das Warmwasser für eine Weile (24h) aus.

Aber mit Rückschlägen können wir mittlerweile umgehen.

Wir trafen uns noch einmal in Odessa mit anderen deutschen Freiwilligen und überlebten erfolgreich die kältesten Tage in Odessa.

 

 

 

Das war's, liebe Freunde.

Eine schöne ereignisreiche Zeit in Kiew liegt hinter mir.

Ich hoffe, mein Artikel hat euch gefallen und ich hoffe, es geht euch allen gut.

Ich bin froh über Feedback und wenn ihr für mich weiterhin betet.

 

Na dann, liebe Grüße aus Odessa!

Bis bald!