Willkommen im Alltag?!

Also um ehrlich zu sein, gleicht hier kein Tag dem anderen.

Denn schließlich arbeite ich mit Kindern. Die sind jeden Tag anders drauf.

Und je nach Tagesform sind sie eben hochmotiviert für Angebote oder wollen einfach chillen.

Aber es gefällt mir sehr. Es ist eine Arbeit, die einen etwas gibt.

 

Wenn ich dann nach Hause komme, verbringe ich Zeit mit meiner Mitbewohnerin Lea,

die zu einer sehr guten Freundin geworden ist.

Wir tauschen uns über Empfindungen, Eindrücke aus oder Lachen einfach gemeinsam.

Lea ist ein hochaktiver Mensch, mit vielen Ideen.

So will sich eigentlich gar keine so richtige "Routine" einstellen,

denn unsere Tage sind abwechslungsreich und spontan.

 

Kürzlich waren wir montags spontan nach der Arbeit noch bei einem Fußballspiel gewesen.

Zwei ukrainische Mannschaften spielten gegeneinander.

Es war mein erstes Fußballspiel, was ich in einem Stadion gesehen habe.

Und an diesem Tag waren sogar Minusgrade. Es war echt eine lustige Aktion.

 

Für mich sind die Momente, in denen wir ans Meer gehen immer sehr besonders.

Denn:

"Hey, ich wohne am Meer!"

So richtig begriffen, dass ich am Schwarzen Meer wohne, habe ich noch nicht.

 

Am Wochenende unternehmen wir immer viel mit Freunden:

Ob nun gemeinsam Kochen, Musik machen, Film schauen, ans Meer fahren, Shoppen,

Kino oder einfach nur Quatschen, es ist immer eine gute Zeit.

Viele Kollegen sind schon zu Freunden geworden. ;)

 

Lea und ich waren auch schon bei einigen ukrainischen Geburtstagsfeiern dabei gewesen.

Diese Feiern bestehen zu 99% aus gemeinsamen Essen. :D

Wirklich, wir haben dort 4h am Stück nur gegessen.

 

Wir gehen auch jeden Mittwoch immer in den Hauskreis für junge Erwachsene, der von unserer Arbeitsstelle ausgeht.

Außerdem gibt es immer einmal im Monat ein Nachtgebet, dass 23 Uhr beginnt und 3 Uhr nachts endet.

In dieser Zeit spürt man die Gegenwart Gottes merklich und es ist wunderbar, was er schon alles hier in Odessa bewirkt hat. :)

 

Ansonsten wird es Lea und mir nie langweilig. Schließlich sind wir ja auch Mitglied in einem Fitnessstudio und  wir haben eine neue Sprache zu lernen... ;)

 

Aber Alltag hat sich in dem Sinne eingestellt, dass ich jetzt weiß, in welche Marschrutka (Kleinbus) ich einsteigen muss,

um dort oder da hin zu kommen. Ich kenne meine Aufgaben auf Arbeit. Ich habe einigermaßen Orientierung in Odessa.

Und man gewöhnt sich immer mehr an die andere Kultur und Sprache.

In unserer Wohnung haben Lea und ich ein richtiges Zuhause gefunden.

 

Dennoch ist das Leben und somit auch der Alltag hier ganz anders als in Deutschland.

Es gehört eben auch zum Alltag hier, auf dem Weg zur Arbeit Straßenhunderudeln über den Weg zu laufen.

Es gehört dazu, von alten Menschen, die am Straßenrand sitzen, um Geld angebettelt zu werden oder gefragt zu werden,

ob ich nicht ihnen ein paar Blumen oder Milch abkaufen will.

Auch in der Elektrischka (Zug) kommen immer alte Menschen in die Abteile und verkaufen irgendwas.

Und ich will dabei auch anmerken, dass diese Menschen nicht gerade gut genährt und gesund aussehen.

Es gehört auch dazu, abends 18 Uhr mit vielen angetrunkenen Männern im Bus zu stehen.

Und es ist ebenfalls normal im Einkaufsmarkt angeschrieen zu werden, weil man mit zu großem Geld bezahlt.

Und das sind jetzt nur ein paar Dinge, die anders sind...

 

Und es gehört hier eben auch dazu, öfter mal kein Wasser zu haben.

Oder kein Warmwasser. Oder keine funktionierende Heizung.

Jedes Mal, wenn ich eine warme Dusche in meiner Wohnung nehme, durchströmt mich tiefe Dankbarkeit.

Und von den Problemen mit unserer Kanalisation ganz zu schweigen.

Zum Glück sind die jetzt erstmal behoben und alles funktioniert wieder.

 

Wenn man nach einer kalten Dusche in seiner kalten Wohnung sitzt, wertschätzt man erstmal Wärme im Winter.

Und wenn man seine Hände waschen will und plötzlich kein Wasser hat,

schätzt man das Wasser umso mehr, wenn es wieder da ist.

 

 

Aber ich fühle mich sehr wohl hier und es tut gut, auch mal Menschen kennenzulernen, die nicht in einem der reichsten Länder aufgewachsen sind. Wenn wir hier Fleisch essen, ist es immer voll die besondere Sache.

Und die Kinder auf Arbeit bedanken sich für das Essen, was sie in den Zentren bekommen.

 

Es tut einfach gut, hier zu sein. Ich bin so dankbar dafür dieses Privileg zu haben, ein Jahr in der Ukraine zu verbringen.

Und ich bin froh, über die Leute, die ich hier kennenlernen durfte...